Proteinbedarf decken trotz Unverträglichkeiten?

Proteinbedarf decken trotz Unverträglichkeiten?

Ich lebe seit über 12 Jahren mit bestimmten Unverträglichkeiten und werde oft gefragt, wie ich meinen Proteinbedarf decke.

Hier ist meine Erfahrung:

Wenn es um Ernährung geht, ist nicht das Lebensmittel an sich das Problem, sondern die Art, wie wir es zubereiten und auch die Herkunft! 

Hierfür ein paar Beispiele:

Die Milch.

Ziegenmilch wurde seit über 5.000 Jahren nicht genetisch verändert!!! (Clark S., 2017)

Kuhmilch und knapp 90% der Lebensmittel, die wir im Supermarkt kaufen können, leider schon.

Ursprüngliche Lebensmittel, wie die Ziegenmilch und auch Proteine daraus, sind im Vergleich zur Kuhmilch daher noch viel verträglicher für uns. (ALKaisy QH, 2023)

Unverträglichkeiten gegen Lebensmittel entstehen nämlich oft erst, wenn sie durch Züchtung genetisch verändert werden und die Struktur für unseren Körper fremd ist. Oder wenn sie nicht richtig zubereitet werden, um z.B. pflanzeneigene Schutzstoffe zu entfernen, gegen die wir womöglich Antikörper entwickeln.

So ist es zum Beispiel auch mit der Sojapflanze.

Tofu wird aus Sojabohnen hergestellt und ist eigentlich eine hervorragende Proteinquelle. Aber es gibt einen Haken: Leider hat die heutige Sojapflanze nicht mehr viel mit der ursprünglichen und traditionellen Sojapflanze zu tun, die eigentlich mal sehr heilsam für uns war. Die heutige Zuchtart ist genetische verändert und voller Lektine und pflanzeneigener Schutzstoffe, die sie zwar widerständiger gegen Umwelteinflüsse macht aber für uns auch gleichzeitig weniger verdaulich. 

Ich empfehle daher, beim Verzehr von Sojaprodukten ausschließlich auf fermentierte Produkte zurückzugreifen wie zum Beispiel fermentierter Tofu und auch Tempeh. Der Fermentationsprozess baut diese pflanzeneigene Schutzstoffe, die häufig für Unverträglichkeiten sorgen, größtenteils ab und macht Tofu und Tempeh - wie ich finde - auch viel aromatischer! Das gleiche gilt für gekeimtes Getreide, Nüsse und auch Sauerteigbrot, eine uralte Tradition, um Getreide zu fermentieren. (Miyahira RF, 2021; Elliott H, 2022
 

Selbst gemachter TempehBild von meinem selbst gemachten Tempeh. Links mit Belugalinsen und rechts mit einer Mischung aus weißen Bohnen und Kichererbsen (mein Favorit!).

Aber bevor wir jetzt in die richtige Zubereitung der Lebensmittel einsteigen, sollten wir vielleicht erstmal die große Frage klären:

Wie viel Protein brauchst du überhaupt?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt 0,8 g Protein pro kg Körpergewicht – das scheint wenig, oder? Für jemanden mit einem Gewicht von 60 kg wären das nur 48 g Protein pro Tag. Das reicht oft nicht aus, um alle Hormone optimal zu produzieren, Muskelmasse aufzubauen und sich langfristig gesund zu fühlen. Vor allem nicht, wenn man eher einen aktiven Lifestyle hat! Da Proteine vom Körper auch erst verarbeitet werden müssen, sind sowieso viele Meinungen zu diesem Thema im Umlauf. 

Nach meiner Vorbereitung auf Fitness Wettkämpfe und intensiver Recherche und Diskussion mit verschiedenen Ernährungsexperten bin ich zu dem Schluss gekommen, dass 1,5 - 2 g Protein pro kg Körpergewicht besser für das langfristige Wohlbefinden sind. Dazu gehören z.B. gesundes und volles Haar, feste Nägel und ein gutes Energielevel für den Alltag. Seitdem ich täglich etwa 100 g Protein zu mir nehme (bei meinem Körpergewicht von 54 kg) fühle ich mich großartig.

Wie ist es bei dir? Wie viel Protein konsumierst du täglich? Lass es mich gern in den Kommentaren wissen!

Nun aber zurück zu unserer Ursprungsfrage. Gehen wir mal von den 2 g Protein pro kg Körpergewicht aus:

Wie bekommst du genug Protein trotz Unverträglichkeiten?

Es ist einfacher, als man denkt! Meine Favoriten sind zum Beispiel gekeimte Hülsenfrüchte und Linsen, Tempeh, Ziegen Protein und “aktivierte” Nüsse. Die Kombination dieser Lebensmittel mit gekeimtem (glutenfreien) Getreide ergibt ein vollständiges Aminosäurenprofil!

Ich nehme täglich etwa 100 g Protein zu mir, verteilt auf 3 Mahlzeiten und hin und wieder auch ein paar Snacks. Das bedeutet, dass eine Mahlzeit mindestens 30 g Protein für mich enthalten muss. 

Ein typischer Tag sieht bei mir dann zum Beispiel so aus: 

Frühstück: Quark aus Buchweizen, gefrorener Banane und A2 Protein. Toppings: Walnussmus, Heidelbeeren und Waldkakao Granola - 34 g Protein

Mittagessen: Hirse, mit fermentieretem Tofu, Mungobohnensprossen, Gemüse und Kokosöl-Tahin-Limetten Dressing - 48 g Protein

Abendessen: Bowl mit Tempeh aus Kichererbsen, Süßkartoffel, Avocado, Oliven, Greens und Quinoa - 35 g Protein

Das sind bei diesem Beispiel 117 g Protein. Du siehst, ich lebe sogar überwiegend vegetarisch (vegan) und komme trotzdem mühelos über 100 g Protein am Tag. 

Es geht im wesentlichen um die richtige Kombination an Lebensmitteln. Wenn du die proteinreiche Lebensmittel einkaufst wirst du automatisch auch proteinreich kochen. Hier sind daher meine Top 23 Proteinquellen, die ich immer zu Hause habe: 

 

Diagramm mit meinen Top 23 Proteinquellen


Brokkoli sieht in der Grafik natürlich jetzt wie ein totaler Verlierer aus. Du darfst aber nicht vergessen, dass die Angaben hier auf 100 g bezogen sind. Das heißt, beim Brokkoli isst du auch schnell mal deine 300 g und kommst dann auf 9 g Protein, wohingegen eine übliche Menge Spirulina eher bei 10 g mit knapp 6 g Protein liegt. Also bitte immer im Mengenverhältnis betrachten! 

Warum ist kein Fleisch und Fisch enthalten? 

Wer gerne Fleisch und Fisch isst und es gut verträgt, kann das natürlich tun. Bei der Auswahl von Fleisch empfehle ich, auf Freilandhaltung oder zumindest biologisches Futter zu achten, um das Risiko für Hormone und Antibiotika zu minimieren. Denn auch “minderwertiges” Fleisch und billige Marinaden mit Sonnenblumenöl und Geschmacksverstärkern können Unverträglichkeiten begünstigen. 

Da hochqualitatives Fleisch oder Fisch aus Wildfang ziemlich teuer ist und für die Umwelt und die Abholzung des Waldes (zumindest in großen Mengen) nicht geradezu förderlich, habe ich mich persönlich dazu entschieden, weniger davon zu essen. Meine Meinung dazu: Wenn es Fleisch gibt, dann lieber weniger, aber dafür in maximal guter Qualität. Bei einem Besuch von der Lykaia Mushroom Farm und dem anschließenden finnischen Barbecue gab es zum Beispiel Wildfleisch direkt aus dem umliegenden finnischen Wald. Da sage ich dann natürlich nicht nein, auch wenn ich ansonsten meinen Proteinbedarf überwiegend pflanzlich decke. 

Was bedeutet denn nun “gekeimt” und warum ist das besser?

Hülsenfrüchte, Linsen und Getreide solltest du vorher keimen. Das hat 2 große Vorteile:

1. Du erhältst wesentlich mehr Nährstoffe, weil
2. dein Körper sie viel besser verdauen kann und die Schale bzw. das Korn aufgebrochen ist! 

Durch das Aufbrechen des Korns sind die meisten pflanzeneigenen Schutzstoffe abgebaut und somit führt gekeimtes Getreide und Hülsenfrüchte nur sehr, sehr selten zu Unverträglichkeiten! 

Wie funktioniert das Keimen?

Das Prinzip dahinter ist ziemlich einfach. Du lässt Linsen, Hülsenfrüchte und Getreide, wie zum Beispiele auch Buchweizen über Nacht einweichen und spülst es dann die nächsten Tage jeweils morgens und abends unter klarem Wasser durch, bis da verschlossene Korn leicht aufbricht und sich die ersten Sprossen entwickeln. Das sieht bei Belugalinsen zum Beispiel so aus:

Gekeimte Belugalinsen


Eine komplette Anleitung inklusive Rezept findest du in unserem Sprossen-Salat.

Weitere Möglichkeiten um Lebensmittel verträglicher zu machen ist zum Beispiel 

  • das Aktivieren von Nüssen und Saaten
  • das Fermentieren von Bohnen zu Tempeh (und Tofu)
  • das Brot backen mit Sauerteig und Urgetreide 

Schreib gerne in die Kommentare, wenn du mehr über diese Herstellungsmethoden erfahren möchtest und ich werde dir in den nächsten Beiträgen unsere Anleitungen zum Nachmachen teilen. 

Wenn du jetzt aber gar nicht weißt wo du anfangen sollst, hier ist meine Schritt für Schritt Anleitung:

  1. Kaufe bei deinem nächsten Einkauf so viele Proteinquellen wie möglich von der Liste ein. Wenn du sie erstmal zu Hause hast, fällt es dir leichter damit kreativ zu werden.
  2. Suche dir ein Getreide oder eine Hülsenfrucht aus, mit der du das Keimen lernen möchtest. Belugalinsen eignen sich z.B. gut für den Anfang und sind pflegeleicht.
  3. Wenn dein erstes Keimexperiment erfolgreich war und du das Lebensmittel gut verträgst, wag dich an andere Experimente, wie das Fermentieren oder Sauerteigbrot! 

Schreib mir in die Kommentare, was davon dich interessiert. Ich wünsche dir gutes Gelingen. Teil deine Experimente gerne auf Social Media mit uns.

 

Proteinquellen

 

Quellen

(Clark S. 2017) Clark S, Mora García MB. A 100-Year Review: Advances in goat milk research. J Dairy Sci. 2017 Dec;100(12):10026-10044. doi: 10.3168/jds.2017-13287. 

(ALKaisy QH 2023) ALKaisy QH, Al-Saadi JS, Al-Rikabi AKJ, Altemimi AB, Hesarinejad MA, Abedelmaksoud TG. Exploring the health benefits and functional properties of goat milk proteins. Food Sci Nutr. 2023 Jun 27;11(10):5641-5656. doi: 10.1002/fsn3.3531. 

(Miyahira RF, 2021) Miyahira RF, Lopes JO, Antunes AEC. The Use of Sprouts to Improve the Nutritional Value of Food Products: A Brief Review. Plant Foods Hum Nutr. 2021 Jun;76(2):143-152. doi: 10.1007/s11130-021-00888-6. Epub 2021 Mar 15. 

(Elliott H, 2022) Elliott H, Woods P, Green BD, Nugent AP. Can sprouting reduce phytate and improve the nutritional composition and nutrient bioaccessibility in cereals and legumes? Nutr Bull. 2022 Jun;47(2):138-156. doi: 10.1111/nbu.12549. Epub 2022 Apr 21.

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